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Historie

Das englische Original und die erste deutsche Übersetzung, "Margarethe"

"North and South" wurde ursprünglich nicht als Buch, sondern als Serienroman in Charles Dickens' Wochenzeitschrift "Household Words" veröffentlicht. Die Veröffentlichung der 20 Episoden begann 1854 und endete 1855. Elizabeth Gaskell bedauerte den Zeitdruck, unter dem sie schrieb, sowie die Notwendigkeit, die Kapitel gleich lang zu halten und die Handlung rasch voranzutreiben. Als die Geschichte dann als Buch erscheinen sollte, füllte sie die ihrer Meinung nach vorhandenen Lücken in der Erzählung mit zusätzlichen Szenen auf. Außerdem ergänzte sie die Kapitelüberschriften und die einleitenden Gedichtzitate.
Bereits 1856 erschien eine deutsche Ausgabe unter dem Titel "Margarethe". Meines Wissens ist diese erste Übersetzung nur schwer erhältlich und in Fraktur gedruckt. Bereits die Tatsache, dass der Name der Titelheldin ins Deutsche übertragen wurde, deutet darauf hin, dass der Leser des 21. Jahrhunderts den Stil als veraltet empfinden würde. Englische Wörter haben längst Einzug in die deutsche Sprache gehalten, mit englischsprachigen Namen sind wir spätestens vertraut, seit in Deutschland Kevins und Jessicas getauft wurden, und auch Nichtübersetzer empfinden es als unpassend, Eigennamen in eine andere Sprache zu übertragen (ausgenommen vielleicht schwer auszusprechende tschechische Vornamen).


Meine Bekanntschaft mit "North and South"


Wie kam es also, dass ich das Buch in Eigeninitiative übersetzte und im Juni 2014 bei Books on Demand veröffentlichte? "North and South" ist ein dickes Buch, das man nicht eben mal neben dem Frühstück übersetzt, wie man ein Kreuzworträtsel löst. Ich weiß ein ausgedehntes Frühstück zu schätzen, aber dieses hätte alles in allem von Oktober 2011 bis zum Juni 2014 gedauert. Nein, die Übersetzung von "North and South" war mehr als ein Zeitvertreib für mich. Eine Zeitlang war sie mein Lebensinhalt, um den sich mein ganzer Tagesablauf drehte.

Aber lassen Sie mich Ihnen zunächst einmal erzählen, wie ich mit dem Buch Bekanntschaft schloss. Es ging mir wie vielen anderen Lesern: ich stieß erst einmal auf die BBC-Verfilmung von 2004. Ende Februar/Anfang März 2008 hatte ich mich mit einer australischen Freundin und ihrer Tochter in Nordengland getroffen. Wir hatten auch einen Ausflug nach Edinburgh gemacht und waren auf Calton Hill herumspaziert. Wieder zu Hause in Heidelberg suchte ich etwas in einem Online-Shop und bekam u. a. die DVD zu "North and South" vorgeschlagen. Ich sah mir den Trailer an und war überrascht, darin Calton Hill zu sehen, auf dem ich nur Tage zuvor selbst gestanden hatte. Die Handlung und die Personen des Trailers machten mich zusätzlich neugierig, und ich bestellte den Film sofort. Er gefiel mir so gut, dass ich als nächstes das Buch las (als Englisch-Übersetzerin natürlich auf Englisch). Beim Nachforschen stieß ich auf die Tatsache, dass keine deutsche Übersetzung des Buches erhältlich war. Angesichts der Fülle von Austen- und Brontë-Übersetzungen konnte ich das kaum glauben!


Der Prozess der Übersetzung

Gut drei Jahre vergingen, bis ich im Herbst 2011 in einer Situation war, in der mir "die Decke auf den Kopf fiel" und ich dringend eine sinnvolle Aufgabe benötigte, die mich ablenkte und meinen Alltag stabilisierte. Die fehlende deutsche Übersetzung von "North and South" kam mir wieder in den Sinn. Ich war mir dessen bewusst, dass es sich hier um eine Mammutaufgabe handelte. Aber ich sagte mir, ich könne die Übersetzung jederzeit beenden oder ruhen lassen, sobald mir eine höherrangige Aufgabe dazwischenkam. Im Winter war ich dann auch vier Monate lang hauptsächlich mit etwas anderem beschäftigt; danach nahm ich aber sogleich die intensive Arbeit an dem Buch wieder auf, denn das "Gaskell-Virus" hatte mich längst befallen. Ich wollte dieses Buch fertig übersetzen! Am 30. November 2012 war ich mit dem ersten Durchgang fertig. Danach folgten zwei weitere: zuerst überarbeitete ich die Formulierungen, dann die Rechtschreibung und Zeichensetzung. Während dieser Phase kamen endgültig andere Aufgaben mit höherer Priorität hinzu, so dass ich nur wenig Zeit in "Norden und Süden" investieren konnte und sehr langsam vorankam.
Die größten Herausforderungen dieser Übersetzung bestanden in der Recherche von Dialektwörtern, mehrdeutigen Wörtern und zeitgenössischen Gegebenheiten sowie in der Übersetzung extrem langer Sätze und gereimter Verse. Am längsten gegrübelt habe ich wahrscheinlich über die 16 Gedichtzeilen von Alfred Lord Tennyson, die Kapitel 6 einleiten. Ich hätte nie gedacht, dass nicht alle seine Werke bereits übersetzt wurden – aber mit Gaskell verhielt es sich ja genauso! Die Schwierigkeit beim Gedichteübersetzen liegt darin, dass sowohl das Reimschema als auch das Metrum erhalten bleiben sollen. Und da englische Texte mit weniger Silben auskommen als ihre deutschen Pendants, ringt man beim Übersetzen förmlich um (kurze) Worte.

 
Haben einen Verlag!

Nachdem ich einen beachtlichen Teil des Romans übersetzt hatte, wuchs in mir der Wunsch, die fertige Übersetzung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ein Verlag musste gefunden werden. In Frage kamen für mich jene Verlagshäuser, die bereits Werke von Gaskell oder anderen britischen Schriftstellerinnen, wie Jane Austen oder den Brontë-Schwestern, im Programm hatten. Mein Argument, dass es Interessenten geben müsse, die aufgrund der BBC-Verfilmung das Buch auf Deutsch lesen wollten, verhallte im Winde. In Internet-Foren hatte ich diesen Wunsch nach einer deutschen Version durchaus gelesen. Die Verlage schätzten anhand ihrer Kalkulationen ein, dass die Nachfrage nicht hoch genug sein würde, als dass sich das Projekt lohnen würde – und das, obwohl ich nicht mit der Forderung einer bestimmten Summe an sie herantrat, sondern von vornherein klarmachte, dass mir die Publizierung wichtiger war als eine dem Arbeitsaufwand entsprechende Entlohnung. Ein Verlag, der selbst Werke von Gaskell herausbringt, verwunderte mich gar mit Zweifeln an der Qualität des Buches – wohlgemerkt des Originals! Mit Zweifeln an meiner Übersetzung hätte ich leben können. Eine Übersetzung ist nie perfekt, so viel Zeit, Mühe, Wissen und Erfahrung man auch hineinsteckt. Aber dass "North and South" nicht gut genug sein sollte, um auf Deutsch veröffentlicht zu werden, überstieg mein Fassungsvermögen. Und das in einer Zeit, in der jeder sein eigenes Opus im Selbstverlag publizieren kann.

 
Veröffentlichung bei Books on Demand, Norderstedt

Womit wir bei der Lösung wären: Nachdem keiner der klassischen Printverlage meine Übersetzung haben wollte, beschloss ich, sie im Selbstverlag herauszubringen. Der Vor- und gleichzeitig auch Nachteil besteht darin, dass es kein Fremdlektorat gibt. Das heißt, es sagt einem niemand, wie der Text verbessert werden könnte, und es zwingt einen niemand, Formulierungen zu ändern, in denen das eigene Herzblut steckt. Man muss das Buch selbst setzen (das ist mehr Arbeit, als man denkt!), darf aber dafür den Buchumschlag selbst gestalten, sich also "kreativ austoben". Auf jeden Fall ist ein selbstverlegtes Buch zu 100 % das eigene Kind, mit dem man sich ganz identifiziert. Das hat durchaus etwas für sich.

 
Der Preis des Taschenbuchs – warum so hoch?

Als ich meine Übersetzung im Juni 2014 bei Books on Demand veröffentlichte, sah die Preiskalkulation des Verlags so aus, dass dicke Bücher für den Käufer sehr teuer waren. Um die Bitterkeit dieses Wermutstropfens ein wenig abzumildern, tat ich beim Setzen des Textes alles, um die Seitenzahl möglichst gering zu halten. Ich fing sogar noch einmal von vorne an, nachdem ich schon ein gutes Stück gesetzt hatte, weil ich mit einer kleineren Schriftgröße, die meiner Ansicht nach vertretbar war, einige Seiten einsparen und somit den Preis für den Leser senken konnte. Ich selbst bevorzuge es, wenn ein Buch großzügig gesetzt ist, aber das Buch sollte ja auch bezahlbar sein.

Erstaunt las ich im Herbst 2014 in einem Newsletter des Verlags, dass die Preise für Neuveröffentlichungen drastisch gesenkt wurden. Ein Buch mit derselben Seitenzahl kostete jetzt sehr viel weniger. Mein Buchvertrag bestand bereits und konnte nicht nachträglich geändert werden. Doch immerhin kam jetzt eine festgebundene Ausgabe in Betracht, für die ich einen anderen Buchumschlag gestaltete. Wenn mein Wunsch, weitere Werke von Gaskell zu übersetzen und herauszugeben, in Erfüllung geht, werden diese auf einem Preisniveau liegen, das der Käufer von klassischen Verlagen her kennt.